Entschließung des Europäischen Parlaments vom 15. Juni 2023 zu der Folter und strafrechtlichen Verfolgung der ukrainischen Minderjährigen Tihran Ohannissjan und Mykyta Chanhanow durch die Russische Föderation ()
Das Europäische Parlament,
–unter Hinweis auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes,
–unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Russland und zur Ukraine,
–gestützt auf Artikel144 Absatz5 und Artikel132 Absatz4 seiner Geschäftsordnung,
A.in der Erwägung, dass das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation am 24.Mai 2023 Tihran Ohannissjan und Mykyta Chanhanow (beide geboren 2006) der mutmaßlichen Planung von Sabotage an einer Bahnstrecke im Raum Berdjansk bezichtigt hat; in der Erwägung, dass ihnen gemäß Artikel281 des Strafgesetzbuchs der Russischen Föderation bis zu 20Jahre Haft drohen und kein angemessener Rechtsbeistand gestellt wurde;
B.in der Erwägung, dass dem Beginn des Gerichtsverfahrens gegen Tihran Ohannissjan und Mykyta Chanhanow Monate brutaler Verhöre durch die Staatsorgane Russlands vorangingen, die am 30.September 2022 begannen, dass die beiden Minderjährigen in den Verhören unter anderem auch geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert wurden, um Geständnisse zu erzwingen, und dass während dieser Zeit ihre Familien schikaniert wurden;
C.in der Erwägung, dass zahlreiche Berichte darauf hindeuten, dass die Staatsorgane Russlands unablässig ukrainische Kinder– die schwächsten Opfer des Angriffskriegs Russlands– knechten;
D.in der Erwägung, dass laut Angaben der ukrainischen Plattform „Kinder des Krieges“ infolge des Einmarschs Russlands mindestens 488Kinder aus der Ukraine ums Leben gekommen sind, wie auch das UNICEF berichtet, und dass mindestens 1016Kinder verletzt und etwa 19500 nach Russland deportiert wurden und 3924 als vermisst gemeldet sind; in der Erwägung, dass diese Fälle im jüngsten Bericht des Moskauer Mechanismus bestätigt werden;
1.fordert, dass das Gerichtsverfahren gegen Tihran Ohannissjan und Mykyta Chanhanow umgehend eingestellt wird, alle gegen sie erhobenen Anklagepunkte fallengelassen und sie umgehend freigelassen werden; fordert das Internationale Komitee vom Roten Kreuz auf, ihre sichere Rückkehr in von der Ukraine kontrolliertes Gebiet zu erwirken; fordert die Sonderbeauftragte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über Gewalt gegen Kinder auf, eine Untersuchung des Falles aufzunehmen; fordert, dass diejenigen, die für die Strafverfolgung verantwortlich sind, in die Sanktionsliste der Union aufgenommen werden; fordert die Freilassung aller von Russland unrechtmäßig inhaftierten Bürgerinnen und Bürger der Ukraine;
2.verurteilt, dass Russland vorsätzlich und gezielt Kinder aus der Ukraine ins Visier nimmt und dabei zu Maßnahmen greift, zu denen beispielsweise die gewaltsame Verbringung an andere Orte innerhalb des vorübergehend von Russland besetzten Hoheitsgebiets der Ukraine, rechtswidrige Deportationen nach Russland und Belarus, illegale Adoptionen und Versuche, „Umerziehungsmaßnahmen“ durchzusetzen, zählen; fordert die Kommission und den Rat erneut auf, ein Kinderschutzpaket EU-Ukraine für Kinder, die vor dem Krieg fliehen oder von ihm betroffen sind, zu beschließen;
3.verurteilt, dass in bewaffneten Konflikten Kinder gezielt ins Visier genommen, strafrechtlich verfolgt und gefoltert werden und dass nach dem Völkerrecht geschützte Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser unmittelbar angegriffen werden;
4.fordert den Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, die Bemühungen zu intensivieren, schwerwiegenden Verletzungen der Rechte von Kindern, die von bewaffneten Konflikten betroffen sind, vorzubeugen und ein Ende zu bereiten; erachtet es als sehr wichtig, das Thema Kinder und bewaffnete Konflikte im Rahmen des auswärtigen Handelns und der Terrorismusbekämpfungs- und Sicherheitspolitik der Union in den Vordergrund zu rücken und es in Operationen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, in Reformen des Sicherheitssektors und in die Mediation einzubeziehen;
5.beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie dem Büro der Sonderbeauftragten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen über Gewalt gegen Kinder, dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, der Regierung der Russischen Föderation und den Staatsorganen von Belarus zu übermitteln.