ENTSCHLIESSUNGSANTRAGzu der Notwendigkeit der Unterstützung eines gerechten Übergangs und des Wiederaufbaus in Syrien durch die EU
7.3.2025-()
gemäß Artikel136 Absatz2 der Geschäftsordnung
Yannis Maniatis, Nacho Sánchez Amor, Marco Tarquinio, Hana Jalloul Muro, Evin Incir
im Namen der S&D-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen ԳٲßܲԲԳٰRC-B10-0157/2025
10‑0157/2025
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Notwendigkeit der Unterstützung eines gerechten Übergangs und des Wiederaufbaus in Syrien durch die EU
()
Das Europäische Parlament,
–unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Syrien,
–unter Hinweis auf das Ergebnis der Tagung des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 24.Februar 2025,
–unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 19.Dezember 2024,
–unter Hinweis auf die Erklärung der Staats- und Regierungschefs der G7 vom 12.Dezember 2024 zu Syrien,
–unter Hinweis auf die Presseerklärung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 17.Dezember 2024 zur Lage in Syrien,
–unter Hinweis auf das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH),
–gestützt auf Artikel136 Absatz2 seiner Geschäftsordnung,
A.in der Erwägung, dass der Sturz der brutalen Diktatur von Baschar al-Assad nach 13Jahren Krieg und starker Unterdrückung, die den Verlust von mehr als 500000Menschenleben und die Vertreibung von 14Millionen Syrern zur Folge hatte, den Beginn eines neuen Kapitels für das syrische Volk und den Nahen Osten im weiteren Sinne markiert;
B.in der Erwägung, dass der Ruf der Revolution von 2011 nach Demokratie, Gerechtigkeit und Gleichheit wieder aufgelebt ist, wodurch eine Chance für die Schaffung eines neuen, inklusiven und demokratischen Syriens geschaffen wurde;
C.in der Erwägung, dass die EU eine wichtige Rolle bei der Erleichterung des demokratischen Übergangs Syriens spielen muss, wobei der Schwerpunkt auf der Achtung der Souveränität und territorialen Integrität sowie auf der Sicherstellung der Beteiligung aller Syrer unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder politischer Überzeugung liegen sollte;
Din der Erwägung, dass die EU am 24.Februar 2025 restriktive Maßnahmen gegen den syrischen Energie-, Verkehrs- und Bankensektor ausgesetzt hat;
E.in der Erwägung, dass seit dem Regimewechsel etwa 500000Binnenvertriebene in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrt sind; in der Erwägung, dass viele von ihnen mit unzureichenden Dienstleistungen, begrenzten Existenzgrundlagen und beschädigter Infrastruktur konfrontiert sind, was ihre nachhaltige Wiedereingliederung behindert; in der Erwägung, dass nach wie vor 7,4Millionen Menschen innerhalb des Landes als Vertriebene leben;
F.in der Erwägung, dass nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) die Lage in Syrien nach wie vor eine der akutesten Krisen der Welt ist und fast 17Millionen Menschen – 70% der gesamten syrischen Bevölkerung – humanitäre Hilfe benötigen;
G.in der Erwägung, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten mehr als 33,3Mrd.EUR an humanitärer Hilfe, Entwicklungshilfe, Wirtschaftshilfe und Stabilisierungshilfe mobilisiert haben;
H.in der Erwägung, dass mehr als 14Millionen Syrer auf der Suche nach Sicherheit gezwungen waren, aus ihrer Heimat zu fliehen; in der Erwägung, dass 5,5Millionen syrische Flüchtlinge in den fünf Nachbarländern Syriens leben, nämlich in der Türkei, im Libanon, in Jordanien, im Irak und in Ägypten; in der Erwägung, dass der Konflikt Auswirkungen auf Palästinaflüchtlinge hatte, die für grundlegende Dienstleistungen auf das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) angewiesen sind, von denen schätzungsweise 438000 in Syrien leben und von denen viele vertrieben wurden und voraussichtlich nach Syrien zurückkehren werden; in der Erwägung, dass das UNRWA weiterhin unterstützt werden muss, um diese Flüchtlinge zu schützen; in der Erwägung, dass die EU-Länder mehr als eine Million syrische Asylbewerber und Flüchtlinge aufgenommen haben;
I.in der Erwägung, dass die Generalversammlung der Vereinten Nationen 2016 den Internationalen, unparteiischen und unabhängigen Mechanismus zur Unterstützung der Ermittlungen gegen die Verantwortlichen für die seit März 2011 in der Arabischen Republik Syrien begangenen schwersten völkerrechtlichen Verbrechen und ihrer strafrechtlichen Verfolgung eingerichtet hat;
Institutioneller Übergang und Staatsführung
1.begrüßt diese neue historische Phase und die Chancen, die sie Syrien nach dem Sturz des brutalen Regimes von Assad bietet, und bringt seine nachdrückliche Unterstützung für die Bevölkerung Syriens und seine Gemeinschaften zum Ausdruck;
2.ist der Ansicht, dass die Zukunft Syriens vom syrischen Volk bestimmt werden muss und dass sie inklusiv und demokratisch sein muss, um einen stabilen und nachhaltigen Übergang zu gewährleisten, der auf den Grundsätzen der Souveränität, der Einheit, der territorialen Unversehrtheit und der Rechtsstaatlichkeit beruht, und den Schutz und die Beteiligung aller Zivilisten ungeachtet ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Religion oder ihrer politischen Überzeugung sicherzustellen;
3.fordert einen inklusiven Übergangsprozess, in dem alle syrischen Gemeinschaften vertreten sind, darunter Araber, Kurden, Christen, Sunniten, Schiiten, Drusen, Alawiten, Armenier, Turkmener und Tscherkessen;
4.fordert die dringende Einbeziehung von Frauen in alle Phasen des politischen Übergangs und den rechtlichen Schutz der Gleichstellung der Geschlechter im neuen verfassungsrechtlichen Rahmen; besteht darauf, dass politische Maßnahmen ergriffen werden, um die Stärkung der wirtschaftlichen Stellung von Frauen, den Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt und den Zugang von Frauen zu Führungspositionen sicherzustellen; begrüßt die Einrichtung eines Büros für Frauenangelegenheiten in der syrischen Übergangsregierung und ihre Zusage, syrische Frauen in soziale, kulturelle und politische Institutionen einzubeziehen; spricht sich insbesondere dafür aus, die Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter in den von Kurden kontrollierten Gebieten im Nordosten Syriens, auch bekannt als Region Rojava, aufrechtzuerhalten; hält die Region für ein Vorbild für die Gleichstellung der Geschlechter und Inklusivität;
5.fordert die staatlichen Stellen Syriens und die internationale Gemeinschaft auf, sich weiterhin auf den Kampf gegen Da‘esh und die Vernichtung der Bestände chemischer Waffen, von Landminen und von Streumunition zu konzentrieren;
6.hält es für wesentlich, die Rechenschaftspflicht für Verbrechen, darunter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie Folter, sexualisierte Gewalt und Verschwindenlassen, sicherzustellen; fordert die syrischen Übergangsbehörden auf, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen physische Beweise für schwere internationale Verbrechen im ganzen Land gesichert und erhalten werden, auch durch die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken mit internationalen Sachverständigen;
7.fordert die syrischen Übergangsbehörden nachdrücklich auf, das Römische Statut zu ratifizieren und mit unabhängigen Beobachtern wie dem Internationalen, unparteiischen und unabhängigen Mechanismus, der Untersuchungskommission der Vereinten Nationen zu Syrien und der Unabhängigen Institution für Vermisste in der Arabischen Republik Syrien uneingeschränkt zusammenzuarbeiten und ihnen ungehinderten Zugang zu gewähren;
8.spricht sich für die Schaffung unabhängiger Mechanismen der Übergangsjustiz aus, um die uneingeschränkte Rechenschaftspflicht für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere Menschenrechtsverletzungen sicherzustellen, die seit Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2011 begangen wurden;
9.unterstützt die Einrichtung eines nationalen Dialogs unter syrischer Führung in Anerkennung der auf der Konferenz des nationalen Dialogs vom 27.Februar 2025 eingeleiteten Bemühungen und fordert die umfassende Einbeziehung aller Gemeinschaften und Teile der syrischen Bevölkerung, einschließlich der Organisationen der Zivilgesellschaft und der syrischen Diaspora;
10.fordert die Schaffung eines neuen institutionellen Rahmens, mit dem gleiche Bürgerrechte, der allgemeine Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum und Sozialschutz sowie Garantien für Arbeitnehmerrechte und menschenwürdige Arbeitsmöglichkeiten für alle sichergestellt werden;
11.bekräftigt die grundlegende Rolle der Zivilgesellschaft bei der Gestaltung der Zukunft Syriens und der Sicherstellung eines erfolgreichen demokratischen politischen Übergangs; fordert die internationale Gemeinschaft auf, ihre Investitionen in die Stärkung von Organisationen der Zivilgesellschaft zu erhöhen;
Regionale Lage
12.ist der Ansicht, dass der Sturz des Assad-Regimes eine bedeutende Chance für die Stabilität des gesamten Nahen Ostens darstellt, insbesondere durch die Schwächung des schädlichen Einflusses des iranischen Regimes und seiner Stellvertreter;
13.besteht darauf, dass die Resolution 338 (1973) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen umgesetzt und die Besetzung der Golanhöhen durch Israel im Einklang mit dem Völkerrecht beendet wird, und fordert, dass die territoriale Unversehrtheit Syriens geachtet und dass das Rückzugsabkommen von 1974 eingehalten wird;
14.fordert die Regierung der Türkei nachdrücklich auf, ihre einseitigen militärischen Maßnahmen im Nordosten Syriens einzustellen und ihre Streitkräfte abzuziehen, und betont, dass eine nachhaltige Lösung auf politischen und diplomatischen Instrumenten und der Achtung des Völkerrechts beruhen muss;
15.fordert Mechanismen, um den Rückzug destabilisierender Akteure wie Russland und Iran sicherzustellen;
16.nimmt die Rolle der kurdisch geführten Demokratischen Kräfte Syriens im Kampf gegen Da‘esh zur Kenntnis;
17.stellt fest, dass etwa 12000 ausländische Bürger, darunter viele EU-Bürger, die Da‘esh und anderen terroristischen Vereinigungen beigetreten sind, in Gefängnissen und Lagern in den von Kurden kontrollierten Gebieten im Nordosten Syriens festgehalten werden; hält es für wesentlich, dass die EU die Bemühungen unterstützt, die darauf abzielen, Da’esh, der nach wie vor eine große Bedrohung darstellt, zu schwächen und letztlich zu besiegen;
18.unterstützt die Bemühungen, Dschihadisten daran zu hindern, syrisches Hoheitsgebiet für die Planung von Anschlägen außerhalb Syriens zu nutzen, und die Bemühungen, das Captagon-Handelsnetz zu zerschlagen;
19.fordert die syrischen Übergangsbehörden auf, eine konstruktive Rolle in multilateralen regionalen Organisationen zu spielen und sich zur Teilnahme an internationalen Foren zur Unterstützung der Zweistaatenlösung, bei der ein israelischer und ein palästinensischer Staat Seite an Seite leben, zu verpflichten;
Migration
20.verurteilt aufs Schärfste die Entscheidung einiger Mitgliedstaaten, die Bearbeitung von Asylanträgen von Syrern auszusetzen, und fordert die EU auf, ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen; fordert nachdrücklich die Schaffung eines besser koordinierten und humaneren Asylrahmens, der schutzbedürftige Gruppen, darunter Frauen, Kinder und verfolgte Minderheiten, schützt;
21.fordert die Mitgliedstaaten auf, flexible Asylrahmen für Syrer zu schaffen, denen internationaler Schutz in der EU gewährt wurde, die es ihnen ermöglichen, vorübergehend nach Syrien zurückzukehren, ohne dass ihr rechtlicher Status gefährdet wird, um die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und Syrien zu stärken; besteht darauf, dass alle Rückführungen freiwillig, sicher und würdig im Einklang mit internationalen Standards durchgeführt werden müssen und dass jeder einzelne Asylantrag gründlich geprüft werden muss;
22.fordert eine EU-weite Strategie zur Unterstützung von Ländern, die Flüchtlinge aufnehmen, wie dem Libanon, Jordanien und der Türkei, einschließlich nachhaltiger finanzieller Hilfe, gerechter Lastenteilung und entwicklungsorientierter Hilfe sowohl für Flüchtlinge als auch für die Aufnahmegemeinschaften;
23.betont, dass die syrische Diaspora ein wichtiger Faktor für den demokratischen Übergang und den Wiederaufbau des Landes ist; fordert, dass Heimatüberweisungen und wirtschaftliche Beiträge von Syrern im Ausland erleichtert werden;
Rolle und endgültige Verpflichtungen der EU
24.bekräftigt, dass die EU beim demokratischen Übergang Syriens eine aktive und umsichtige Rolle spielen muss, indem sie alle verfügbaren Instrumente nutzt, um die Übergangsbehörden bei der Wahrung der Demokratie und der Menschenrechte, der Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der Achtung der Nachbarländer zu unterstützen;
25.bekräftigt die Zusage der EU, die demokratischen Bestrebungen Syriens zu unterstützen, und fordert verstärkte finanzielle und politische Maßnahmen, um die Bemühungen zum Wiederaufbau sowie humanitäre Hilfe und Stabilisierungshilfe zu verstärken;
26.unterstützt den jüngsten Beschluss des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“, die Sanktionen gegen Syrien, insbesondere in den Bereichen Energie, Verkehr und Finanzen, auszusetzen; spricht sich für eine strenge Überwachung der Achtung der Grundrechte, der Rechtsstaatlichkeit, von Minderheiten, der Gleichstellung der Geschlechter, der Terrorismusbekämpfung, des Völkerrechts und der souveränen Rechte aller Mitgliedstaaten als Voraussetzung für die vollständige und dauerhafte Aussetzung von Sanktionen aus; fordert, dass gezielte Sanktionen gegen Personen, die für die Gräueltaten des vorherigen Regimes verantwortlich sind, beibehalten werden;
27.begrüßt die neunte Brüsseler Konferenz zur Unterstützung der Zukunft Syriens und der Region, die am 17.März 2025 stattfinden soll; ist bereit, seine politische und institutionelle Rolle beim Dialog mit allen Syrern und internationalen Partnern über die wichtigsten Herausforderungen des Übergangs, des Wiederaufbaus und der Stabilität in der Region wahrzunehmen; weist erneut darauf hin, wie wichtig es ist, für eine angemessene Unterstützung auch für die Umsetzung der Reformen in den Bereichen Staatsführung, Institutionen und Sicherheit zum Schutz der bürgerlichen, politischen und sozioökonomischen Rechte zu sorgen;
29.fordert die Untersuchung von Möglichkeiten zur Nutzung eingefrorener Vermögenswerte des Assad-Regimes für einen Treuhandfonds für den Wiederaufbau in Syrien und die Rehabilitierung und Entschädigung der Opfer;
30.fordert die EU auf, ihre Präsenz in Syrien durch gemeinsame Maßnahmen der Kommission und des Parlaments zur Unterstützung der Zivilgesellschaft und aller demokratischen Bewegungen zu verstärken;
31.fordert die Vizepräsidentin der Kommission und Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik nachdrücklich auf, eine umfassende Strategie auszuarbeiten, um die syrische Zivilgesellschaft und die Gemeinschaften der Diaspora in alle Phasen des institutionellen Übergangs einzubinden, insbesondere um Gerechtigkeit und nationale Aussöhnung zu fördern;
32.fordert die Kommission auf, die Bemühungen zum Wiederaufbau in Syrien unter besonderer Berücksichtigung des Wiederaufbaus des syrischen Gesundheitssystems und der Wasserversorgungsinfrastruktur des Landes zu unterstützen;
33.fordert die EU auf, Syrien bei den Bemühungen um die Wiederherstellung von Gebieten und Orten, die für die syrische Bevölkerung von großer kultureller Bedeutung sind, zu unterstützen und die Anstrengungen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit gestohlenem und geraubtem Kulturgut zu verstärken;
34.bekräftigt, dass die EU die Arbeit des Internationalen, unparteiischen und unabhängigen Mechanismus in den Bereichen Justiz und Rechenschaftspflicht unterstützt, und fordert die EU-Organe und die Mitgliedstaaten auf, die Mittel für den Internationalen, unparteiischen und unabhängigen Mechanismus aufzustocken;
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35.beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie den syrischen Übergangsbehörden und den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.