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Die Europäische Union und die Wälder

Da in den Verträgen nicht konkret auf die Wälder eingegangen wird, verfügt die EU über keine gemeinsame Forstpolitik. Diese bleibt somit in erster Linie eine nationale Zuständigkeit. Die EU hat jedoch eine europäische Waldstrategie entwickelt und unterstützt zahlreiche Maßnahmen, die einen erheblichen Einfluss auf die Wälder in der EU und in Drittstaaten haben.

Was ist ein Wald? Auf diese einfach erscheinende Frage haben die Mitgliedstaaten keine gemeinsame Antwort. Allerdings benutzt Eurostat für die Erhebung internationaler Statistiken über die Wälder eine Klassifizierungsmethode, die von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) entwickelt wurde, und wendet folgende Definition an: Ein Wald ist ein Stück Land mit einer Fläche von über 0,5ha, bei der mehr als 10% des Bodens von Baumkronen überschirmt (oder gleichwertig bestockt) sind. Die Bäume sollten im Reifealter in situ eine Höhe von mindestens fünf Metern erreichen können.

Die europäische Waldlandschaft: ein weitgehend vom Menschen gestaltetes Mosaik

Der dargelegten Definition zufolge umfassen die Wälder der EU 160Mio.ha (4% der weltweiten Waldfläche). Sie bedecken 39% der Fläche der EU, und auf die sechs Mitgliedstaaten mit den größten Waldflächen (Schweden, Finnland, Spanien, Frankreich, Deutschland und Polen) entfallen zwei Drittel der Waldfläche der EU. Auf nationaler Ebene variiert die Waldbedeckung stark: Während Finnland, Schweden und Slowenien zu fast 60% von Wald bedeckt sind, beläuft sich dieser Anteil in den Niederlanden nur auf 9,9%. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Gegenden der Welt, wo die Entwaldung nach wie vor ein großes Problem ist, nimmt die Waldfläche der EU zu. Von 1990 bis 2010 ist sie um rund 11Mio.ha gewachsen, was insbesondere auf natürliche Ausdehnung und Aufforstungsmaßnahmen zurückzuführen ist.

Die verschiedenen Waldarten in der Union spiegeln deren geoklimatische Vielfalt wider (boreale Wälder, alpine Nadelwälder usw.). Ihre Verteilung hängt insbesondere von dem Klima, dem Boden, der Höhenlage und der Topografie des jeweiligen Gebiets ab. Nur 4% der Wälder wurden vom Menschen nicht verändert. 8% sind Plantagen, und der Rest gehört zu den „halbnatürlichen“ d.h. durch menschliche Einwirkung gestalteten Wäldern. Es ist zu beachten, dass ein Großteil der europäischen Wälder in Privatbesitz ist (etwa 60% der Fläche, verglichen mit 40% öffentlichen Wäldern).

Tabelle: Grundlegende Daten über die Wälder in der EU (EU-27, 2020)

MitgliedstaatEU-27 Wälder/Wald­fläche(1000ha, 2020) Anteil der Wälder an der Gesamtfläche (in%) (2020) ܳٳٴǷɱ­öڳܲԲ/²­ڱä
(EUR/ha) (2020)
Beschäftigte in der Forstwirtschaft(1000 jährliche Arbeitseinheiten)
(2020)
Öٱ𾱳 3889,6 46,4 194 21,1
Belgien 689,3 22,5 136 2,2
Bulgarien 3896,00 35,1 51 21,9
Kroatien 1940,00 34,3 116 14,4
Zypern 172,64 18,6 13 0,5
Tschechien 2677,09 33,9 341 21,2
äԱ𳾲 689,3 16,1 340 6,0
Estland 2438,4 53,8 110 6,2
Finnland 22409,0 66,2 181 21,2
Frankreich 17421,9 31,7 166 29,0
Deutschland 11468,00 32,1 107 39,0
Griechenland 3901,8 29,6 15 9,2
Ungarn 2053,01 22,1 116 18,5
Irland 799,14 11,4 48 2,8
Italien 9566,13 31,7 221 38,0
Lettland 3410,79 52,8 144 17,8
Litauen 2202,19 33,7 96 8,6
Luxemburg 88,70 34,2 94 0,3
Malta 0,46 1,5 0,0 0,0
Niederlande 369,50 9,9 457 3,0
Polen 9464,20 30,3 181 71,8
Portugal 3340,71 36,2 245 15,0
ܳäԾ 6981,62 29,3 223 52,4
Slowakei 1951,49 39,8 256 24,6
Slowenien 1185,13 58,5 228 6,2
Spanien 18572,17 36,7 54 11,0
Schweden 27980,0 62,5 110 41,0
EU-27 159558,29 38,6 146 502,6

Quelle: Eurostat und die Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Kommission.

Forstpolitische Entscheidungen und Initiativen in der Europäischen Union: die Bedeutung der Kohärenz

Da in den Verträgen nicht konkret auf die Wälder eingegangen wird, verfügt die EU über keine gemeinsame Forstpolitik. Diese bleibt somit in erster Linie eine nationale Angelegenheit. Dennoch haben zahlreiche Maßnahmen der EU Auswirkungen auf die Wälder der EU und von Drittstaaten.

A. Neue EU-Waldstrategie für 2030

Im Jahr 2021 nahm die Kommission eine an, die eine der Leitinitiativen des ist und sich auf die stützt. Durch die Waldstrategie wird zur Verwirklichung der Biodiversitätsziele der EU sowie zur Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 55% bis zum Jahr 2030 und der Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 beigetragen. In der Strategie werden die zentrale und multifunktionale Rolle der Wälder und der Beitrag aller Akteure der Forstwirtschaft und der gesamten forstwirtschaftlichen Wertschöpfungskette zur Verwirklichung einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft bis zum Jahr 2050 und zur Erhaltung lebendiger und wirtschaftlich florierender ländlicher Gebiete anerkannt.

B. Maßnahmen der Europäischen Union für den Wald

1. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) als Hauptquelle europäischer Finanzmittel für die Wälder

Etwa 90% der Mittel der EU für Wälder stammen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER).

Im Programmplanungszeitraum 2007-2013 wurden rund 5,4Mrd.EUR aus dem ELER-Haushalt für die Kofinanzierung forstwirtschaftlicher Maßnahmen bereitgestellt. Im Zuge des Programmplanungszeitraums 2014-2020 der GAP wurden öffentliche Ausgaben in Höhe von 8,2Mrd.EUR eingeplant (27% für Wiederaufforstung, 18% für die Verbesserung der Widerstandsfähigkeit der Wälder und 18% für die Schadensprävention). Alle Arten von Beihilfen für Investitionen in Wälder wurden in einer einzigen spezifischen Maßnahme zusammengefasst (Investitionen für die Entwicklung von Waldgebieten und Verbesserung der Lebensfähigkeit von Wäldern). Eine weitere Maßnahme sah Zahlungen für forstwirtschaftliche, umwelt- und klimafreundliche Dienstleistungen zur Erhaltung der Wälder vor, und weitere, nicht forstspezifische Maßnahmen wurden ebenfalls vorgesehen (z.B. Zahlungen im Rahmen von Natura2000 und der Wasserrahmenrichtlinie).

Für den laufenden Programmplanungszeitraum der GAP (2023-2027) wurden Maßnahmen für die Wälder in die Strategiepläne aufgenommen, die von den Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung (EU) 2021/2115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 2.Dezember 2021 vorgelegt wurden.

2. Weitere Maßnahmen der Europäischen Union zugunsten der Wälder

Der Verkehr mit forstlichem Vermehrungsgut ist auf europäischer Ebene durch die Richtlinie 1999/105/EG des Rates geregelt. Das europäische Pflanzenschutzrecht zielt darauf ab, die Ausbreitung von Schadorganismen in Wäldern zu bekämpfen (Richtlinie 2000/29/EG des Rates). Darüber hinaus stellt die EU insbesondere im Rahmen des Programms Horizont Europa Mittel für die Forstforschung bereit. Im Bereich der Energiepolitik hat sich die EU das rechtsverbindliche Ziel gesetzt, den Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen am Gesamtenergieverbrauch bis 2030 auf 32% zu erhöhen, wodurch die Bedeutung der forstwirtschaftlichen Biomasse steigt (). Am 30.März 2023 erzielten das Europäische Parlament und der Rat über ein verbindliches Ziel von mindestens 42,5% bis 2030, wobei jedoch 45% angestrebt werden. Forstprojekte können außerdem im Rahmen der dzäDzspolitik über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung kofinanziert werden (insbesondere Brandverhütung, Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen und Vorbereitung auf den Klimawandel). Durch den Solidaritätsfonds (Verordnung (EG) Nr.2012/2002 des Rates) sollen die Mitgliedstaaten im Falle von Naturkatastrophen größeren Ausmaßes, wie etwa Stürmen und Waldbränden, unterstützt werden. Das Katastrophenschutzverfahren der EU (Beschluss Nr.1313/2013/EU) kann im Falle von Krisen aktiviert werden, die von den Mitgliedstaaten alleine nicht bewältigt werden können, was insbesondere bei bestimmten Waldbränden (Griechenland 2007 und 2012) und Stürmen geschehen ist.

Außerdem gehören etwa 37,5Mio. ha Wald (d.h. 23% der europäischen Wälder) zu Natura2000, einem Netz von Naturschutzgebieten, das im Rahmen der EU-Umweltpolitik eingerichtet wurde. Die ressourcenschonende Nutzung der Wälder gehört zu den thematischen Prioritäten des neuen EU-Programms für Umwelt und Klimapolitik (LIFE 2021-2027, Verordnung (EU) 2021/783). Auf die Biodiversitätsstrategie der EU (), in der Pläne für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung für öffentliche Wälder bis 2020 vorgesehen waren, folgte die Mitteilung der Kommission über die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 (COM(2020)0380). Darin sind insbesondere die Ausweitung der Schutzgebiete – 30% aller Landflächen und Meeresgebiete in der EU, wobei 10% streng geschützt werden müssen – zum besseren Schutz der europäischen Wälder sowie die Pflanzung von 3Milliarden Bäumen vorgesehen.

Mit dem Europäischen Waldbrandinformationssystem (EFFIS) werden Waldbrände überwacht. Die EU fördert zudem das umweltorientierte öffentliche Beschaffungswesen (), durch das die Nachfrage nach Holz aus nachhaltiger Erzeugung unterstützt werden kann. Außerdem werden mit dem EU-Umweltzeichen Parkette, Möbel und Papier gekennzeichnet. Im EU-Aktionsplan mit dem Titel „Rechtsdurchsetzung, Politikgestaltung und Handel im Forstsektor“ (FLEGT) sind des Weiteren „freiwillige Partnerschaftsabkommen“ mit den Holzerzeugerländern vorgesehen, und die Verordnung (EU) Nr.995/2010, die seit März 2013 in Kraft ist, verbietet den Handel mit illegal geschlagenem Holz.

Die EU beteiligt sich außerdem an zahlreichen forstbezogenen internationalen Aktivitäten (insbesondere dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen). Auf europaweiter Ebene ist Forest Europe nach wie vor die wichtigste forstpolitische Initiative. Derzeit laufen Gespräche über ein rechtsverbindliches Abkommen über die nachhaltige Bewirtschaftung und Nutzung von Wäldern. Im Rahmen ihrer Klimapolitik hat die EU neben der Teilnahme an den globalen Verhandlungen über die Verringerung der Treibhausgasemissionen erste Schritte zur Einbeziehung der Land- und Forstwirtschaft in ihre Klimapolitik unternommen (siehe Verordnung (EU) 2018/841 vom 30.Mai 2018 über die Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030). Darüber hinaus hat sich die EU zum Ziel gesetzt, den weltweiten Rückgang der Waldfläche bis zum Jahr 2030 zu stoppen und die Abholzung der Tropenwälder bis zum Jahr 2020 um mindestens 50% zu verringern (). Am 23.Juni 2023 trat die Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (Verordnung (EU) 2023/1115) in Kraft. Mit dieser Verordnung soll sichergestellt werden, dass die von EU-ün erworbenen Produkte nicht zur Entwaldung oder Waldschädigung weltweit beitragen.

Rolle des Europäischen Parlaments

Das Europäische Parlament nimmt in vielen Bereichen, die Auswirkungen auf die Wälder haben, gleichberechtigt mit dem Rat im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens Rechtsvorschriften an, insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft und Umwelt. Darüber hinaus nimmt das Parlament zusammen mit dem Rat den EU-Haushaltsplan an.

Es hat viele Rechtsvorschriften mit Auswirkungen auf die Wälder beeinflusst. Außerdem plädiert das Parlament in seinen ԳٲßܲԲen seit Langem für eine bessere Koordinierung und Kohärenz zwischen den verschiedenen Instrumenten, die Auswirkungen auf die europäischen Wälder haben. Die erste EU-Forststrategie wurde am 15.Dezember 1998 dank der angenommen, in der die Kommission aufgefordert wurde, Vorschläge für eine europäische Forststrategie vorzulegen.

In seiner ԳٲßܲԲ vom 15.Januar 2020 zum europäischen Grünen Deal begrüßte das Europäische Parlament die Absicht der Kommission, gegen die weltweite Entwaldung vorzugehen, und forderte sie auf, ihre Maßnahmen zu intensivieren und eine neue, ehrgeizige EU-Forststrategie vorzulegen, um der wichtigen, multifunktionalen und vielseitigen Rolle der europäischen Wälder, der Branche und der nachhaltigen Waldbewirtschaftung bei der Bekämpfung des Klimawandels und des Verlusts an biologischer Vielfalt angemessen Anerkennung zu zollen. Vor diesem Hintergrund hat das Parlament beschlossen, zwei nichtlegislative Initiativberichte auszuarbeiten: einen zur Stärkung der Maßnahmen der EU zum Schutz und zur Wiederherstellung der Wälder in der Welt ( des Europäischen Parlaments vom 16.September 2020 zu der Rolle der EU beim Schutz und der Wiederherstellung der Wälder in der Welt)[1], und einen zur neuen Forststrategie der EU ( des Europäischen Parlaments vom 8.Oktober 2020 zu dem Thema „Europäische Forststrategie – künftiges Vorgehen“). In Verbindung mit dem ersten Bericht nahm das Parlament auch einen legislativen Initiativbericht über die weltweite Entwaldung an ( des Europäischen Parlaments vom 22.Oktober 2020 mit Empfehlungen an die Kommission für einen EU-Rechtsrahmen zur Eindämmung und Umkehrung der von der EU verursachten weltweiten Entwaldung. Schließlich nahm das Parlament am 13.September 2022 seine zu der neuen EU-Waldstrategie für 2030 – nachhaltige Waldbewirtschaftung in Europa an, in der auf die neue EU-Waldstrategie für 2030 eingegangen wird, die im Jahr 2021 von der Kommission angenommen wurde.

[1]Im Anschluss an die Mitteilung der Kommission vom 23.Juli 2019 mit dem Titel „Intensivierung der EU-Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung der Wälder in der Welt“ ().

Vera Milicevic