Hauwa Ibrahim – 2005, Nigeria

Hauwa Ibrahim wurde in eine muslimische Familie in dem Dorf Hinnah im nördlichen Nigeria geboren. Dort eignete sie sich die Werte an, die ihre Entschlossenheit stärkten. Dazu gehörte die Überzeugung ihrer Mutter, dass Bildung der einzige Weg aus der Armut ist. Da sie wusste, dass sie im Alter von zehn Jahren verheiratet werden würde, floh Hauwa Ibrahim von zu Hause in ein Mädcheninternat, wo sie ihre Schulbildung fortsetzen konnte. Ihre intellektuellen Interessen und ihre Leidenschaft für Gerechtigkeit brachten sie dazu, Jura zu studieren. Sie wurde die erste Anwältin im Distrikt Yamaltu-Deba im Bundesstaat Gombe, und ihr Rechtsbeistand ist heute sehr gefragt.
Als 1999 in zwölf Bundesstaaten im Norden Nigerias die Scharia eingeführt wurde, stand der Schutz der grundlegenden Menschenrechte, insbesondere von Frauen, auf dem Spiel. Hauwa Ibrahim begründete eine bahnbrechende Rechtspraxis, indem sie Frauen und Kinder vertrat, die von Scharia-Gerichten zum Tode durch Steinigung wegen Ehebruchs bzw. zur Amputation wegen Diebstahls verurteilt worden waren. Insgesamt trat sie in mehr als 150 Fällen unentgeltlich als Verteidigerin auf und rettete Amina Lawal, Safiya Hussaini, Hafsatu Abubakar und vielen anderen das Leben.
Von 2010 bis 2013 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin und Gastdozentin an der Harvard Divinity School. Darüber hinaus war sie an zahlreichen Universitäten in den USA und Europa als Professorin tätig. Im Mai 2014 wurde sie vom Präsidenten Nigerias in den Präsidialausschuss für die Untersuchung der Entführung von über 200 Schülerinnen durch die Terrorgruppe Boko Haram im nördlichen Nigeria berufen. Hauwa Ibrahim, die für ihre Glaubwürdigkeit und ihren leidenschaftlichen Einsatz für die Menschenwürde bekannt ist, hat das Europäische Parlament und den US-Kongress im Zusammenhang mit dem ungelösten tragischen Schicksal der entführten Mädchen nachdrücklich um internationale Unterstützung gebeten. Sie hört nicht auf darauf hinzuweisen, dass dem zunehmenden religiösen Extremismus nur dadurch begegnet werden kann, dass mehr für die Bekämpfung von gegen Frauen gerichteter Gewalt und extremer Armut und für die Eröffnung von Perspektiven getan wird.
Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen ist sie zutiefst davon überzeugt, dass Bildung der Schlüssel zur Zukunft ist und dass Bildung für Mädchen die Erhöhung des Bildungsgrads ihrer Familien und somit ihrer Mitmenschen und der jeweiligen Gesellschaft insgesamt zur Folge hat.
Hauwa Ibrahim hat das ihr mit dem Sacharow-Preis zuerkannte Geld in eine Stiftung eingebracht, die Bildungsmöglichkeiten für Kinder im Norden Nigerias schafft. Auf Einladung von Prinz El-Hassan bin Talal beschäftigte sie sich 2015 im Haschemitischen Königreich Jordanien für das Forum Westasien und Nordafrika mit Themen betreffend die Stärkung der Position der Frau in der Gesellschaft und soziale Gerechtigkeit. Sie arbeitet außerdem zu Fragen des interreligiösen Dialogs am Royal Institute for Inter-Faith Studies in Amman, Jordanien. Seit 2016 hält sie an der Venice School of Human Rights jährlich einen Vortrag für Sacharow-Stipendiaten und internationale Studenten, in dessen Rahmen sie von ihrer eigenen Geschichte berichtet, um ihre Zuhörer zu inspirieren.
Zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Rechtsanwältin und Dozentin hat Hauwa Ibrahim zahlreiche Entwicklungsinitiativen wie „The Peace Institute" (Das Friedensinstitut) und „Mothers Without Borders" (Mütter ohne Grenzen) begründet. Ziel beider Organisationen ist es, durch Bildung und Versöhnung in Nigeria und anderen Ländern den Grundstein für eine Zukunft zu legen, die von wahrem Frieden und echter Aussöhnung geprägt ist. Im Oktober 2017 hat sie das Projekt „Mothers Without Borders: Steering Youth Away from Violent Extremism" (Mütter ohne Grenzen: Die Jugend von gewaltbereitem Extremismus fernhalten) ins Leben gerufen.