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ԳٲßܲԲԳٰ - B9-0093/2021ԳٲßܲԲԳٰ
B9-0093/2021

ENTSCHLIESSUNGSANTRAGzu der Festnahme von Alexei Nawalny in Moskau

19.1.2021-()

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel132 Absatz2 der Geschäftsordnung

Sergey Lagodinsky, Bronis Ropė, Sven Giegold, Tilly Metz, Martin Häusling, Markéta Gregorová, Francisco Guerreiro, Rosa D’Amato, Claude Gruffat, Tineke Strik, Gwendoline Delbos-Corfield, Jordi Solé, Heidi Hautala, Reinhard Bütikofer, Anna Cavazzini, Viola VonCramon-Taubadel, Alice Kuhnke, Pär Holmgren, Jakop G. Dalunde, Michael Bloss, Hannah Neumann, Ignazio Corrao, Alviina Alametsä, Katrin Langensiepen, Ville Niinistö, Alexandra Geese, Eleonora Evi
im Namen der Verts/ALE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen ԳٲßܲԲԳٰRC-B9-0090/2021

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B9-0093

Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Festnahme von Alexei Nawalny in Moskau

()

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine vorherigen Entschließungen zu Russland und zu den Beziehungen zwischen der EU und Russland, insbesondere jene vom 17.September 2020 mit dem Titel „Lage in Russland: der Giftanschlag auf Alexei Nawalny“[1],

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten des Europarats (EMRK),

unter Hinweis auf die Erklärung der Präsidentin der Europäischen Kommission vom 18.Januar 2021 im Anschluss an die am Vortag erfolgte Festnahme von Alexei Nawalny in Moskau,

unter Hinweis auf die am 18.Januar 2021 im Namen der EU vom Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR) im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung zu der Festnahme von Alexei Nawalny nach dessen Rückkehr nach Russland,

unter Hinweis auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in den Rechtssachen Nawalny gegen Russische Föderation vom 17.Oktober 2017, Nawalny gegen Russland vom 15.November 2018 und Nawalny gegen Russland (Nr.2) vom 9.April 2019,

gestützt auf Artikel132 Absatz2 seiner Geschäftsordnung,

A.in der Erwägung, dass Alexei Nawalny als Anwalt, Politiker und Bekämpfer der Korruption zahlreiche Korruptionsfälle aufgedeckt hat, in die Unternehmen und russische Politiker verwickelt sind, öffentliche Proteste in ganz Russland angeführt hat und zu einem der wenigen schlagkräftigen Wortführer der russischen Opposition geworden ist;

B.in der Erwägung, dass Alexei Nawalny bereits zuvor mehrmals in Gewahrsam genommen, verhaftet und verurteilt worden ist, womit versucht wurde, seine politischen und öffentlichen Aktivitäten zu unterbinden; in der Erwägung, dass der EGMR erklärte, eine Reihe dieser Verfahren sei missbräuchlich betrieben worden und verstoße gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und gegen den Grundsatz „keine Strafe ohne Gesetz“ (Artikel6 und 7 EMRK), auch das Urteil, auf dem die derzeitige Festnahme von Alexei Nawalny beruht und auf dessen Grundlage die russischen Staatsorgane nun die gegen ihn verhängte Bewährungsstrafe in eine Haftstrafe umwandeln wollen; in der Erwägung, dass das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation am 29.Dezember 2020 neue Vorwürfe gegen Nawalny erhoben hat und ihn beschuldigt, er habe angeblich 356Millionen RUB durch Schenkungen an seine Stiftung für Korruptionsbekämpfung und angeschlossene gemeinnützige Organisationen unterschlagen;

C.in der Erwägung, dass bereits mehrmals versucht wurde, Alexei Nawalny zu töten, zuletzt am 20.August 2020, als er mit einem Nervenkampfstoff der Nowitschok-Klasse vergiftet wurde; in der Erwägung, dass in keinem dieser Fälle die Täter vor Gericht gestellt wurden; in der Erwägung, dass es einem Netz investigativer Journalisten, dem auch das Rechercheteam von Bellingcat angehört, im Rahmen eines gemeinsamen Projekts gelungen ist, mehrere der an dem Giftanschlag beteiligten Täter zu ermitteln, die allesamt mit dem Geheimdienst in Verbindung stehen;

D.in der Erwägung, dass Alexei Nawalny am 17.Januar 2021 in Russland ankam und vor der Passkontrolle an der Grenze von russischen Beamten inhaftiert wurde; in der Erwägung, dass sein Flug vom Flughafen Moskau-Wnukowo, wo Hunderte Menschen zusammengekommen waren, um ihm ihre Unterstützung zu bekunden, zum Flughafen Moskau-Scheremetjewo umgeleitet wurde; in der Erwägung, dass die Polizei zahlreiche Menschen festnahm, die am Flughafen Wnukowo auf die Ankunft von Alexei Nawalny warteten, darunter Journalisten und Mitarbeiter seiner Stiftung für Korruptionsbekämpfung;

E.in der Erwägung, dass Alexei Nawalny nach Angaben des Föderalen Strafvollzugsdienstes der Russischen Föderation festgehalten wird, weil er mehrmals gegen Bewährungsauflagen im Zusammenhang mit einer Verurteilung wegen Betrugs im Jahr 2014 verstoßen und sich strafrechtlichen Ermittlungen entzogen haben soll, und bis zu einer Gerichtsentscheidung in dieser Angelegenheit in Haft bleibt; in der Erwägung, dass die mutmaßlichen Verstöße gegen die Auflagen darauf zurückzuführen waren, dass Alexei Nawalny während einer medizinischen Behandlung im Berliner Krankenhaus Charité in Deutschland bleiben und sich dort von seiner Vergiftung erholen musste; in der Erwägung, dass es für die gegen ihn verhängte Haft von 30Tagen keine Rechtsgrundlage nach russischem Recht gibt;

F.in der Erwägung, dass die Rechte auf Gedanken- und Redefreiheit sowie auf Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit in der Verfassung der Russischen Föderation verankert sind; in der Erwägung, dass sich die Russische Föderation als Unterzeichnerstaat der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der EMRK und als Mitglied des Europarates verpflichtet hat, die internationalen Normen und Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit einzuhalten und die Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten; in der Erwägung, dass diese Grundsätze entscheidende Pfeiler einer widerstandsfähigen und pluralistischen Gesellschaft sind; in der Erwägung, dass die freie und unabhängige Betätigung der Opposition, der Organisationen der Zivilgesellschaft und der Medien ein Eckpfeiler einer demokratischen und auf Rechtsstaatlichkeit beruhenden Gesellschaft ist;

G.in der Erwägung, dass sich die Lage der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit in Russland immer weiter verschlechtert, wobei die Staatsmacht systematisch versucht, die Redefreiheit zu unterbinden, die Versammlungsfreiheit einzuschränken, Aktivitäten der Opposition zu behindern, mit Repression auf alle Handlungen zu reagieren, die darauf abzielen, Korruption aufzudecken, und die Tätigkeit der russischen Zivilgesellschaft zu unterdrücken; in der Erwägung, dass dieser anhaltenden Unterdrückung abweichender Meinungen in der Gesellschaft durch die Straflosigkeit der Polizei- und Sicherheitskräfte sowie durch die mangelnde Bereitschaft der Gerichte, die wirklichen Täter dieser Verbrechen zu verfolgen, Vorschub geleistet wird; in der Erwägung, dass Vertreter der Opposition systematisch verbalen Angriffen, der Ablenkung dienenden persönlichen Verleumdungskampagnen und der Herabsetzung ihrer Menschenwürde seitens der Regierung oder regierungsnaher Medien ausgesetzt sind;

H.in der Erwägung, dass das Europäische Parlament bei zahlreichen Gelegenheiten seine Besorgnis über den Zustand der Demokratie in Russland, das systematische Versagen bei der Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der Achtung der Grundrechte und -prinzipien sowie den schrumpfenden Raum für unabhängige und kritische Akteure in dem Land zum Ausdruck gebracht hat; in der Erwägung, dass die Staatsorgane Russlands in Anbetracht der bevorstehenden Wahl zur Staatsduma im September 2021 durch das derzeitige harte Vorgehen gegen die Opposition, die Zivilgesellschaft und sämtliche kritischen Stimmen eine Atmosphäre der Angst schaffen;

I.in der Erwägung, dass der Gasverbrauch in der Union einen Höchststand erreicht hat und die Kapazität der vorhandenen Erdgasfernleitung Nord Stream derzeit noch nicht voll ausgeschöpft wird; in der Erwägung, dass die polarisierende Entscheidung einiger Mitgliedstaaten für den Bau von Nord Stream2 nicht mit den Werten der Solidarität und des Vertrauens in der Energieunion vereinbar ist; in der Erwägung, dass Nord Stream2 nicht mit den Zielen des europäischen Grünen Deals vereinbar ist, die Treibhausgasemissionen der EU bis 2030 um mindestens 55% zu senken und bis 2050 Treibhausgasneutralität zu verwirklichen;

1.verurteilt nachdrücklich die Festnahme von Alexei Nawalny durch die russische Staatsmacht nach seiner Rückkehr nach Russland am 17.Januar 2021;

2.fordert die Staatsorgane Russlands auf, ihn umgehend freizulassen und für seine Sicherheit zu sorgen sowie die am 17.Januar 2021 auf dem Flughafen Moskau-Wnukowo festgenommenen Personen freizulassen;

3.weist erneut darauf hin, dass die Inhaftierung politischer Gegner gegen die internationalen Verpflichtungen Russlands verstößt, bekräftigt, dass die Justiz entpolitisiert werden muss, und beharrt auf dem Recht auf ein faires Verfahren und auf Zugang zu Rechtsbeistand; fordert das Ministerkomitee und die Mitgliedstaaten des Europarats auf, von den in Artikel46 Absatz4 EMRK verankerten Befugnissen Gebrauch zu machen und den EGMR mit einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Russische Föderation zu befassen;

4.bekräftigt seine Forderung nach einer unabhängigen internationalen Untersuchung des Giftanschlags auf Alexei Nawalny durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen, die Vereinten Nationen und den Europarat; fordert die Staatsorgane Russlands nachdrücklich auf, in transparenter und unparteiischer Weise uneingeschränkt mit internationalen Akteuren zusammenzuarbeiten und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen;

5.bekundet seine Solidarität mit den demokratischen Kräften in Russland, die sich für eine offene und freie Gesellschaft einsetzen, sowie seine Unterstützung für alle Personen und Organisationen, die Ziel von Angriffen und Repressionen sind;

6.fordert die Staatsorgane Russlands nachdrücklich auf, die Schikanierung und Einschüchterung der Opposition, der Zivilgesellschaft, der Medien, von Menschenrechtsverteidigern und anderen politisch engagierten Bürgern sowie die Übergriffe auf sie einzustellen und stattdessen dafür zu sorgen, dass die Bevölkerung Russlands ihre Grundfreiheiten genießen und ihre legitime politische und zivilgesellschaftliche Tätigkeit ausüben kann; verurteilt, dass die Staatsorgane Russlands weder diese Akteure vor Übergriffen, Schikanierungen und Einschüchterungen schützen noch unparteiische Ermittlungen im Fall solcher Übergriffe durchführen;

7.fordert die russische Regierung und die Staatsduma auf, den Rechtsrahmen für Wahlen und die Rechtsvorschriften über ausländische Agenten und unerwünschte Organisationen zu überarbeiten, damit Pluralismus und freie und faire Wahlen im Einklang mit internationalen Normen ermöglicht und gleiche Ausgangsbedingungen für die Kandidaten der Opposition geschaffen werden; fordert, dass die russische Regierung allen demokratischen Parteien während der bevorstehenden Wahl zur Staatsduma gleichberechtigten Zugang und gleiche Chancen garantiert, da der missbräuchliche Rückgriff auf das Registrierungsverfahren zu dem Zweck, Parteien die Regierung zu verweigern, dazu angetan ist, den politischen Wettbewerb und die pluralistische Demokratie zu zerstören;

8.fordert den VP/HR und den Rat auf, eine neue Strategie für die Beziehungen der EU zu Russland auszuarbeiten, mit der die Zivilgesellschaft, die für demokratische Werte, Rechtsstaatlichkeit, die Grundfreiheiten und die Menschenrechte in Russland eintritt und zu der auch Alexei Nawalnys Stiftung für Korruptionsbekämpfung zählt, besser unterstützt wird und die unmittelbaren Kontakte zu den Bürgerinnen und Bürgern Russlands gestärkt werden;

9.fordert den Rat und den VP/HR auf, so bald wie möglich gezielte Sanktionen gegen Personen oder Organisationen, die nachweislich in schwerwiegender Weise –insbesondere im Zusammenhang mit der Unterdrückung der Zivilgesellschaft, engagierter Oppositioneller und von Journalisten– gegen die Menschenrechte oder Grundfreiheiten verstoßen haben, sowie gegen ihre korrupten Verbündeten und Propagandisten zu verhängen, möglicherweise auch gegen Roman Abramowitsch, Denis Bortnikow, Andrei Kostin, Michail Muraschko, Dmitri Patruschew, Igor Schuwalow und Alischer Usmanow;

10.fordert die Organe der EU und alle Mitgliedstaaten mit allem Nachdruck auf, die Fertigstellung der Erdgasfernleitung Nord Stream2 zu stoppen, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, alle verfügbaren rechtlichen und politischen Mittel einzusetzen, um die Fertigstellung und mithin auch zu verhindern, dass die Abhängigkeit der Union von Energielieferungen aus Russland weiter zunimmt; fordert, dass in der EU ähnliche bilaterale Projekte, durch die der Grundsatz der Solidarität untergraben und Korruption gefördert wird oder die zu Menschenrechtsverletzungen führen, systematisch überprüft werden, auch die Stiftung, die kürzlich von der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns gegründet wurde, um zur Fertigstellung von Nord Stream2 beizutragen;

11.legt der EU nahe, Russland auch künftig regelmäßig aufzufordern, alle mit internationalen Normen unvereinbaren Gesetze aufzuheben oder zu ändern; betont, dass jedweder Dialog mit Russland auf der Achtung des Völkerrechts beruhen muss;

12.bekräftigt seine an den Europäischen Auswärtigen Dienst und die Mitgliedstaaten gerichtete Forderung, die Menschenrechtslage in der Russischen Föderation auch fortan genau zu beobachten, und fordert die EU-Delegation in Russland und die Botschaften der Mitgliedstaaten auf, Gerichtsverfahren gegen Organisationen der Zivilgesellschaft, Oppositionspolitiker und engagierte Bürger, auch im Fall Alexei Nawalny, auch künftig zu beobachten;

13.beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Vizepräsidenten der Kommission und Hohen Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär des Europarates sowie dem Präsidenten, der Regierung und der Staatsduma der Russischen Föderation zu übermitteln.

Letzte Aktualisierung: 20. Januar 2021
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