Ϸվ

ԳٲßܲԲԳٰ - B9-0272/2023ԳٲßܲԲԳٰ
B9-0272/2023

ENTSCHLIESSUNGSANTRAGzur Lage in Nicaragua

12.6.2023-()

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung des Vizepräsidenten der Kommission/Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel132 Absatz2 der Geschäftsordnung

Leopoldo López Gil, Gabriel Mato
im Namen der PPE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen ԳٲßܲԲԳٰRC-B9-0272/2023

ձڲ:
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument:
B9-0272/2023
Eingereichte Texte :
B9-0272/2023
Aussprachen :
Angenommene Texte :

9‑0272/2023

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Nicaragua

()

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Nicaragua, insbesondere die Entschließung vom 16.Dezember 2021 zur Lage in Nicaragua[1], die Entschließung vom 9.Juni 2022 zur Instrumentalisierung der Justiz in Nicaragua zu Repressionszwecken[2] und die Entschließung vom 22.September2022 zu Nicaragua, insbesondere der Verhaftung von Bischof Rolando Álvarez[3],

unter Hinweis auf die Verordnungen und Beschlüsse des Rates über restriktive Maßnahmen gegen schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße in Nicaragua, insbesondere den Beschluss (GASP) 2022/24 des Rates vom 10.Januar2022 zur Änderung des Beschlusses (GASP)2019/1720 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Nicaragua[4] und die Verordnung (EU)2019/1716 des Rates vom 14.Oktober2019 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in Nicaragua[5],

gestützt auf das Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika andererseits (Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Zentralamerika)[6],

unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen,

unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,

unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 10.Oktober 2022 zu den jüngsten diplomatischen Entwicklungen und die Erklärungen der Sprecherin des Hohen Vertreters vom 10.Februar 2023 zur Freilassung politischer Gefangener und vom 16.Februar 2023 zum Entzug der Staatsbürgerschaft politischer Gegner,

unter Hinweis auf den Bericht der Gruppe von Menschenrechtsexperten über Nicaragua vom 2.März 2023,

gestützt auf Artikel132 Absatz2 seiner Geschäftsordnung,

A.in der Erwägung, dass das nicaraguanische Regime seit 2018 systematisch, wiederholt und willkürlich ʰäԳٲ󲹴ڳskandidaten, führende Politiker der Opposition und religiöse Würdenträger, insbesondere aus der römisch-katholischen Kirche, sowie Führungspersönlichkeiten der Studentenschaft und aus ländlichen Gebieten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, zivilgesellschaftliche Organisationen, Wirtschaftsvertreter und alle anderen kritischen Stimmen im Land inhaftiert, schikaniert und eingeschüchtert hat; in der Erwägung, dass sich die Situation in Nicaragua ständig zuspitzt,

B.in der Erwägung, dass sich seit 2018 die staatliche Repression in Nicaragua verfestigt hat, die durch eine systematische Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen, den Verfall der staatlichen Institutionen und der Rechtsstaatlichkeit sowie das Zusammenspiel von Exekutive und Justiz gekennzeichnet ist;

C.in der Erwägung, dass das nicaraguanische Regime am 9.Februar 2023 222 politische Gefangene, darunter Journalisten und Menschenrechtsverteidiger, deportiert und ihnen die nicaraguanische Staatsbürgerschaft entzogen hat, weil sie „Verrat am Vaterland“ begangen haben sollen; in der Erwägung, dass das nicaraguanische Regime eine Woche später weiteren 94 Dissidenten die Staatsbürgerschaft entzogen und ihr Eigentum beschlagnahmt hat;

D.in der Erwägung, dass das nicaraguanische Regime seitdem die Anwälte politischer Dissidenten unerbittlich schikaniert und verfolgt und bis zu 25 von ihnen ihre Zulassung entzogen hat;

E.in der Erwägung, dass willkürliche Verhaftungen von politischen Dissidenten und Menschenrechtsverteidigern im Land nach wie vor die Regel sind; in der Erwägung, dass den Vereinten Nationen zufolge im Mai 2023 bis zu 63 Menschen aus politischen Gründen willkürlich festgenommen wurden; in der Erwägung, dass das Regime darüber hinaus neue Formen der Unterdrückung entwickelt hat, indem es „Schnellverfahren“ durchführt, was ein weiterer Beweis für die Mittäterschaft des Justizsystems mit dem Regime ist;

F.in der Erwägung, dass die katholische Kirche, die eine wichtige Rolle als Vermittlerin beim Nationalen Dialog 2018 gespielt und immer wieder zu einem ruhigen und vernünftigen Dialog in Nicaragua aufgerufen hat, zunehmend Angriffen und Repressionen seitens des nicaraguanischen Regimes ausgesetzt ist; in der Erwägung, dass Bischof Álvarez trotz zahlreicher Forderungen nach seiner Freilassung nach wie vor in Haft ist; in der Erwägung, dass das nicaraguanische Regime am 12.März 2023 angekündigt hat, dass es die Beziehungen zum Vatikan abbrechen werde; in der Erwägung, dass der Vatikan daraufhin beschlossen hat, seine Botschaft zu schließen;

G.in der Erwägung, dass die Gruppe der Menschenrechtsexperten der Vereinten Nationen am 2.März 2023 ihre Schlussfolgerung veröffentlicht hat, in der festgestellt wird, dass die nicaraguanische Regierung aus politischen Gründen weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, gegen Zivilisten begeht und dass die mutmaßlichen Verstöße außergerichtliche Hinrichtungen, willkürliche Inhaftierungen, Folter und den willkürlichen Entzug der Staatsangehörigkeit und des Rechts auf Verbleib im eigenen Land umfassen;

H.in der Erwägung, dass das Ortega-Murillo-Regime seit2018 mehr als3000 zivile Organisationen verboten hat;

I.in der Erwägung, dass Nicaragua und Russland enge Verbündete sind; in der Erwägung, dass das Ortega-Murillo-Regime seit Beginn des rechtswidrigen, unprovozierten und ungerechtfertigten russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine das russische Regime in Resolutionen der Vereinten Nationen systematisch unterstützt hat; in der Erwägung, dass der russische Außenminister Sergej Lawrow während seines offiziellen Besuchs in Nicaragua am 19.April2023 dem nicaraguanischen Regime für seine Unterstützung der Kandidatur Russlands als Beobachter sowohl in der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) als auch im Zentralamerikanischen Integrationssystem gedankt hat; in der Erwägung, dass Russland Nicaragua mit militärischer Ausrüstung unterstützt hat und weiterhin eine russische Militärpräsenz im Land unterhält, was ein klarer Beweis für die engen Beziehungen und die gegenseitige Unterstützung zwischen dem Regime Ortega-Murillo und dem Putin-Regime ist;

J.in der Erwägung, dass das nicaraguanische Regime die ungerechtfertigte Entscheidung getroffen hat, die Leiterin der EU-Delegation in Nicaragua auszuweisen und die diplomatischen Beziehungen zum Königreich der Niederlande abzubrechen; in der Erwägung, dass die EU im Gegenzug den Leiter der Mission der Republik Nicaragua bei der EU zur Persona non grata erklärt hat;

1.verurteilt aufs Schärfste die anhaltende und unerbittliche Unterdrückung des nicaraguanischen Volkes durch das Ortega-Murillo-Regime und bekräftigt seine anhaltende und unerschütterliche Unterstützung des nicaraguanischen Volkes;

2.bekräftigt, dass ein inklusiver und sinnvoller nationaler Dialog eine friedvolle Lösung für die tiefe politische Krise in Nicaragua sein sollte; bedauert die wiederholte Weigerung des nicaraguanischen Regimes und seine mangelnde Bereitschaft, einen solchen Prozess einzuleiten; stellt fest, dass die Abhaltung freier, fairer und transparenter Wahlen, die Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und der Freiheiten, die Beendigung der Unterdrückung und Furcht, die Freilassung der willkürlich inhaftierten politischen Gefangenen, die Wiederherstellung des Rechtsstatus der politischen Parteien, die willkürlich verboten wurden, und die Rückkehr der ins Exil Gegangenen ohne Ausnahmen und mit vollen Garantien sowie die Rückkehr internationaler Menschenrechtsgremien in das Land unabdingbare Voraussetzungen für jeglichen Dialog mit dem nicaraguanischen Regime sind; fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, die derzeitigen und künftigen Bemühungen der Zivilgesellschaft, die Voraussetzungen für einen Dialog zu schaffen, der zu einem demokratischen Übergang führt, im Einklang mit den Vereinbarungen vom März 2019 zu begleiten;

3.bedauert das erzwungene Exil von politischen Gefangenen im Februar 2023 und den Entzug ihrer Staatsangehörigkeit, was einen klaren Verstoß gegen Artikel15 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte darstellt, der das Recht jeder Person auf eine Staatsangehörigkeit schützt und den willkürlichen Entzug der Staatsangehörigkeit verbietet;

4.verurteilt die missbräuchliche Inhaftierung, die fehlenden Verfahrensgarantien und die rechtswidrigen Verurteilungen politischer Gefangener, die seit der Abschiebung der 222 Gefangenen im Februar 2023 in Nicaragua stattgefunden haben; ist besorgt über die Manipulation des Strafrechts und die Nutzung des Justizwesens als Instrument zur Kriminalisierung der Ausübung bürgerlicher und politischer Rechte;

5.spricht sich nachdrücklich gegen die willkürliche Suspendierung von Anwälten durch die nicaraguanischen Behörden aus; betont, dass dies den ohnehin schon schlechten Zustand der Rechtsstaatlichkeit und die Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren weiter untergräbt; macht auf die fortgesetzte Instrumentalisierung des Justizsystems und die Mitschuld der Richter daran aufmerksam; fordert erneut, dass die nicaraguanischen Richter und Staatsanwälte rasch auf die Liste der von der EU sanktionierten Einzelpersonen gesetzt werden und dass die Liste der sanktionierten Einzelpersonen und Organisationen um Daniel Ortega und seinen inneren Kreis erweitert wird;

6.betont, dass die Zivilgesellschaft, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und Mitglieder der römisch-katholischen Kirche in Nicaragua eine zentrale Rolle spielen;

7.fordert die bedingungslose Freilassung aller politischen Gefangenen und Dissidenten, insbesondere von Bischof Álvarez;

8.fordert das Regime in Nicaragua auf, es internationalen Organisationen, darunter der Interamerikanischen Menschenrechtskommission und dem Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, umgehend zu gestatten, in das Land zurückzukehren, damit sie die Menschenrechtslage in dem Land überwachen können;

9.bekräftigt seine Forderung an das Regime in Nicaragua, die Resolution Nr.49/3 des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 31.März2022 umzusetzen, mit der für einen Zeitraum von einem Jahr eine Gruppe von Menschenrechtsexperten eingesetzt wird, die glaubwürdige, unparteiische und umfassende Untersuchungen überwachen, Beweise sichern und dafür sorgen soll, dass diejenigen, die für die seit 2018 begangenen schweren Verstöße verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden; begrüßt in diesem Zusammenhang, dass diese Expertengruppe ihr Mandat erfüllen konnte, was in der Veröffentlichung ihres Berichts am 2.März 2023 gipfelte; betont, dass in diesem Bericht festgestellt wurde, dass die nicaraguanische Regierung weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, gegen die Zivilbevölkerung begangen hat; fordert die Mitgliedstaaten der EU und den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse und im Einklang mit den Artikeln13 und14 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs auf, eine förmliche Untersuchung durch den Internationalen Strafgerichtshof gegen Nicaragua und Daniel Ortega wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzuleiten;

10.fordert das Regime in Nicaragua auf, nichtstaatliche und zivilgesellschaftliche Organisationen nicht länger willkürlich aufzulösen, die Satzungen aller Organisationen, politischen Parteien, religiösen Organisationen, Medienverbände und Medienunternehmen, Universitäten und Menschenrechtsorganisationen, die willkürlich aufgelöst wurden, wieder in Kraft zu setzen, all ihre Vermögenswerte, Dokumente und Ausrüstungsgegenstände, die unrechtmäßig beschlagnahmt wurden, zurückzugeben und ihren rechtmäßigen Rechtsstatus wiederherzustellen;

11.verurteilt die bedingungslose Unterstützung des nicaraguanischen Regimes für den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine; betont, dass Nicaragua einer der engsten Verbündeten Russlands in der Region ist und dass es von russischer Militärhilfe profitiert, um seine Bevölkerung weiter zu unterdrücken;

12.fordert den Vorsitz des Europäischen Rates, der ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU und der CELAC organisiert, nachdrücklich auf, Vertreter des Ortega-Murillo-Regimes nicht zur Teilnahme an der Veranstaltung einzuladen; fordert den Vorsitz des Europäischen Rates auf, sich zur Abgabe einer Erklärung zu verpflichten, in der die gebührende Achtung der Menschenrechte in Nicaragua gefordert wird, und einen Fahrplan für die Demokratie in Nicaragua vorzuschlagen;

13.fordert die EU auf, im Wege ihres auswärtigen Handelns und des Dialogs weiterhin die Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der Gleichheit und der Medienfreiheit zu priorisieren und mit der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, um den Dialog, die Demokratie und die Menschenrechte in Nicaragua zu schützen; fordert die Delegation der EU in Nicaragua auf, die Entwicklungen in dem Land genau zu überwachen und in diesem Zusammenhang unter anderem Gerichtsverfahren zu beobachten und Oppositionsführer und Regierungskritiker, die in Haft sind oder unter Hausarrest stehen, zu besuchen; fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass mit ihrer Kooperationshilfe die Unterstützung für die Zivilgesellschaft, insbesondere die Menschenrechtsverteidiger, verstärkt wird und dass sie in keiner Weise zu der derzeitigen Unterdrückungspolitik der nicaraguanischen Staatsorgane beiträgt;

14.weist darauf hin, dass Nicaragua vor dem Hintergrund des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Zentralamerika die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Menschenrechte einhalten und konsolidieren muss; bekräftigt seine Forderung, dass angesichts der derzeitigen Umstände die Demokratieklausel des Assoziierungsabkommens ausgelöst werden muss;

15.fordert die Konferenz der Präsidenten auf, die Entsendung einer Erkundungsmission zur Beobachtung der Lage in Nicaragua zu genehmigen;

16.beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten, der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika, dem Zentralamerikanischen Parlament, der Lima-Gruppe, dem Vatikan sowie der Regierung und dem Parlament der Republik Nicaragua zu übermitteln.

Letzte Aktualisierung: 14. Juni 2023
Rechtlicher Hinweis-Datenschutzbestimmungen